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Neulich beim Schamanen -Gegensätze, die zusammengehören
03.03.2017 19:07

Aufgeregt kam ich als einer der Letzten zum Abend-Ritual an. Schnell noch eine Zigarette geraucht und hibbelig in den großen Vortragsraum gegangen. Wir suchten uns ein Plätzchen am Rande der Sitzgruppe. Mehr war nicht frei. Es waren bestimmt 50 Leute anwesend. Die Spannung und hoffnungsvolle Neugier lag spürbar in der Luft.

Nach wenigen Minuten kam der Schamane. Er war ein umherreisender Vertreter seiner Zunft. Auch ich war einer, aber ich war kein Wanderer. Ich war zwar ein Sucher, aber ich brauchte die Verwurzelung auf dem Land. Meine Kraft war die der Erde. Meine Liebe galt den Pflanzen, den Tieren und den Geistern des Landes. Ich brauchte dringend eine Stärkung meiner Kraft, da die letzten vier Monate sehr anstrengend waren. Deshalb war ich hier.

Er begann mit einem kleinen Vortrag, indem er uns seine drei Gesänge für den Abend vorstellte, die uns mit den jeweiligen Kräften und Wesenheiten verbinden würden. Auch könnte eine echte Transformation des Wahren Selbstes stattfinden und wir aus Verstrickungen befreit werden. Dann legte er los. Zum Klang seiner Klangschale sang er ein ungewöhnliches starkes Lied. Er tönte. Die Töne kamen aus der Anderswelt. Sie floßen aus ihm raus und erfüllten den Raum.

Ich geriet in Trance. Es fiel mir sehr leicht die Ebenen zu wechseln. Ich stellte mich auf Empfang und reiste:

„ Ich befand mich in einer riesengroßen Halle. Sie war hinter den Sternen des Himmelszeltes verborgen. Ich leuchtete von innen heraus. Ich hatte ein langes Gewand an, ähnlich wie die Druiden unserer keltischen Vorfahren. Es war aus Licht gemacht.

Plötzlich kam eine Göttin in goldschimmernder Rüstung und kunstvollem Haarschmuck in einem Streitwagen auf mich zu. Er war von zwei dunklen Pferden gezogen. Auch der Streitwagen war kunstvoll mit Goldemblemen verziert. Sie sah ägyptisch aus. Wie eine lebendig gewordene ägyptische Göttinnen-Statue. Sie schaute mich durchdringend an und schwieg. Schließlich hörte ich ihre Stimme in meinem Kopf. Sie bedeutete mir , neben ihr auf dem Streitwagen Platz zu nehmen. Ich solle schweigen und schauen. Ich nickte, nahm Platz und wir flogen davon. Schnell, immer schneller. Es kam mir vor wie die „wahnsinnige Geschwindigkeit“ aus der SF-Persiflage „Spaceballs“. Wir flogen durch die Sterne. Ich durchdrang Galaxien. Mehrere. Es war unbeschreiblich schön. Lichter in ätherischen Farben durchflossen mich.

Dann löste sich alles auf. Es wurde nebelig. Ein leuchtender Nebel umgab mich. Der Gehörnte Gott kam langsam auf mich zu. Er zeigte sich mir in seiner Gestalt als Herne der Jäger. Er schwieg. Er kam näher und heiligte meine Männlichkeit. Dann enstieg aus dem Nebel die Göttin der Liebe. Sie war nackt und wunderwunderschön. Auch sie heiligte meine Männlichkeit. Ich war ergriffen und erstaunt, dass das geschah, nach allen Schwierigkeiten, die ich durch die Nackenschläge des weiblichen Geschlechts in dieser Inkarnation erfahren habe. Gott und Göttin umarmten sich leidenschaftlich und voller Liebe. Sie rief: „Mein Mann, mein Mann, hast Du mich vergessen?“ Sie verschmolzen mit mir und lösten sich ineinander auf.

Die ägyptische Göttin fragte mich:“Wofür entscheidest Du dich?“ Ich spürte in mich hinein und antwortete: „Ich entscheide mich für die Liebe. Ich lege mein Schwert nieder. Ich entscheide mich für den Frieden.“ Sie schien einen kurzen Moment zu lächeln. Mein geistiger Lehrer Odin begleitete die Szenerie. Er war in seiner Gestalt als leuchtender Zauberer erschienen. Er bekräftigte meinen Entschluß, indem er mir die Rune der Heilung, der Liebe und der Ekstase in mein Herz gab. Sie leuchtete hell. Auch er lächelte.

Der Gesang des Schamanen endete und die Vision ließ nach.“

 

Es dauerte einen Moment, bis ich wieder in der gewöhnlichen Wirklichkeit war. Mein Denken war ruhig und ich fühlte mich glücklich entrückt. Es war alles gut so, wie es war. Ich hatte zwar wenige Tage zuvor die Trennung zu meiner Liebsten hinter mir, aber es war gut. Es schmerzte und ich war noch traurig und auch wütend, aber es war richtig so. Es gehörte dazu. Der Schmerz und die Dunkelheit gehörten zum Licht dazu. Das Glück und die Liebe durchdrangen beides. Es war viel tiefer und stärker als der Schmerz an der Oberfläche.

Wir machten Pause und ich brauchte für einen Moment überhaupt keine Worte mehr. Um mich herum regten sich die Leute und fingen an sich zu unterhalten. Es war unwichtig zu reden. Ich war in der Gegenwart und beobachtete. Mit Allen war etwas geschehen. Jeder Einzelne hatte seine Erfahrung gemacht, die ihn berührt und verändert hatte. Es fühlte sich gut an...

 

© by Niels Vorwerk

 

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